Verwahrentgelt zahlen, Kauf hauseigener Produkte oder Kündigung. Diese drei Stichworte bestimmen immer mehr Gespräche zwischen Banken und Sparkassen und ihren vermögenden Privatkunden. Die Institute geben den Druck aufgrund der Niedrigzinsen an ihre Kunden weiter. Selbst an langjährige Kundinnen und Kunden. Diese wollen die von Banken gerne als Verwahrentgelt bezeichneten Minuszinsen meist vermeiden. Einige Institute nutzen das aus und treiben ihre Kunden in riskante Anlagen, wie ein aktueller Fall aus unserem Mandantenkreis zeigt.

Am Beispiel eines Anlagevorschlags für eine 84-jährige, langjährige Kundin, zeigt sich, welche Gefahren hier für Anleger lauern können. Eine regional verankerte Bank machte der 84-jährigen Mutter eines langjährigen Kunden von uns ein fast schon unmoralisches Angebot: Die Bank eröffnete der Mutter unseres Mandanten, dass sie von nun an auf ihr Vermögen auf Giro- und Tagesgeldkonto ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,5 Prozent bezahlen sollte. Alternativ könne sie in ein Expresszertifikat der Deka mit einer Laufzeit von rund sieben Jahren investieren. Ihr Sohn bat uns, das Angebot der Kreissparkasse zu prüfen. Da die 84-Jährige zeit ihres Lebens noch nie in Wertpapiere investiert hatte und bei planmäßigem Ablauf des Zertifikats bereits über 90 Jahre alt gewesen wäre, sahen wir uns das Zertifikat genauer an. Schon beim Blick in das Basisinformationsblatt des Expresszertifikats fällt der fett gedruckte Hinweis ins Auge: „Sie sind im Begriff, ein Produkt zu erwerben, das nicht einfach ist und schwer zu verstehen sein kann.“ Das allein wäre schon Grund genug, auf eine Anlage zu verzichten. Ein genauerer Blick zeigt: Dieses Zertifikat bietet der Anlegerin eine laufende jährliche Verzinsung von 1,25 Prozent. So weit so gut.

Kompliziert sind die Bedingungen: Einmal im Jahr soll der aktuelle Kurs eines Aktienindex „beobachtet“ werden. Liegt der Kurs des Index an diesem Beobachtungstag oberhalb einer gewissen Schwelle, so wird das Zertifikat vorzeitig zurückgezahlt. Die Anlegerin erhält ihren vollen Anlagebetrag zurück und bekommt für die Laufzeit die versprochenen 1,25 Prozent Verzinsung. Liegt der Aktienindex an dem jährlichen Beobachtungstag unterhalb der Schwelle, läuft das Zertifikat weiter und der Anleger bekommt seine jährliche Verzinsung. Im nächsten Jahr gilt das gleiche – bis zum Laufzeitende. Über Wohl und Wehe entscheidet dann der Kurs des Aktienindex an einem einzigen Bewertungstag zum Laufzeitende. Liegt der Kurs des Aktienindex an diesem konkreten Datum oberhalb von 35 Prozent des ursprünglichen Startwerts, so wird die Anlage voll zurückgezahlt. Liegt der Kurs jedoch aufgrund eines temporären Aktiencrashs unterhalb dieser Schwelle, so erleidet der Anleger einen herben Verlust. Ausgerechnet dann, wenn der Kunde in diesem als „konservativ“ eingestuften Zertifikat also besonders schützenswert wäre, ist plötzlich ein Verlustrisiko vorhanden.

Dieses Szenario mag in Anbetracht des Risikopuffers von 65 % unrealistisch erscheinen, unmöglich ist es nicht. Ein weiterer Fallstrick: Möchte oder muss die Anlegerin während der Laufzeit aussteigen, kann das Zertifikat jederzeit an die Deka Bank zurückgeben werden. Allerdings nur zum tagesaktuellen Kurs. Die Anlegerin trägt bei einem früheren Ausstieg also zusätzlich das Risiko eines schwankenden Marktes. Von einer konservativen Anlage kann da keine Rede mehr sein. So ein Vorgehen ist längst keine Ausnahme mehr, sondern unserer Erfahrung nach eher die Regel. Anlegerinnen und Anleger sollten daher nicht das erstbeste Angebot annehmen, das ihnen die Banken und Sparkassen als Alternative zum Verwahrentgelt anbieten. Schon gar nicht, wenn man in ein Produkt investieren soll, das „nicht einfach ist und schwer zu verstehen sein kann“.